Der Mensch ist, was er denkt

Im Sport - aber nicht nur da - kann dies eine Gnade sein, oder ein Fluch. Das hängt von der Qualität des Denkens ab…

Als junger Sportler mit einer regen Phantasie war das für mich beides, ich war begnadet oder verflucht. Abhängig von meiner Tagesform, meinen zutiefst persönlichen Stimmungen und äußeren Einflüssen, die ich ungefiltert auf mich einprasseln ließ. Erfahrung ließ mich im Laufe der Jahre eine Art Systematik in der Gedankensteuerung aufbauen: ich machte regelmäßig mein Programm in Gedanken, stellte mich in Wettkampfszenarien vor, baute mich selbst mit verschiedenen Sprüchen auf und veränderte Glaubenssätze, hatte meine Rituale vor und während Meisterschaften und könnte mich immer besser selbst steuern und regulieren. Ich lernte also intuitiv, dass die geistige Einstellung beeinflusst werden konnte und die körperliche Leistung dadurch besser wurde. Mein Vater hatte da nicht unwesentlichen Einfluss und pflanzte so manche Idee des Mentaltrainings in mich ein. Er hinterließ bei mir einen tiefen Respekt vor den Kräften des Geistes, die in einem Athleten – und dem Menschen im Allgemeinen – innewohnt.

Es war aber weder strukturiert noch in irgendeiner Art und Weise professionell.

Der Mensch ist, was er denkt. Im Sport kann es ein Problem bedeuten oder eine Chance; das hängt davon ab, ob und wie man seinen Körper auch geistig einsetzt.

Mangel an Motivation und Mühe bedeuten für die Sportler in aller Regel kein Problem. Es bereitet ihnen aber in aller Regel Kummer, dass sie nicht in der Lage sind, ihren Geist so zu steuern, dass er eine Einheit mit dem Köper bildet. Ehrgeiz erstickt Fähigkeiten, Angst frisst den Erfolg, mangelndes Vertrauen bremst ihre Leistung.

Sportler können aber geistig auf die gleiche Weise vorwärtskommen, wie sie das körperlich tun: durch ein psychologisches Training, das die positiven Fakten akzentuiert und negative Kräfte eliminiert oder transformiert. Intellekt, Gefühle und Geist werden genauso sorgfältig vorbereitet wie Herz, Lunge, Muskeln und Sehnen.

Eben durch Mentaltraining.

Doch diese Art der Vorbereitung gibt es kaum in der Amateursportwelt meiner Kampfkunst. Fanatisch perfektionistische Trainer und Sportler, die sich körperlich bis zur Erschöpfung quälen, haben bestenfalls einen Seitenblick für diese Disziplin der geistigen Wettkampfvorbereitung. Denn es kostet Zeit, sich damit zu beschäftigen. Dass sie durch Missachtung dieser geistigen Aspekte jedoch wertvolle Zeit des körperlichen Trainings verschwenden, kommt ihnen kaum in den Sinn.

Mentales Training

Was ist denn nun mentales Training in Zusammenhang mit sportlicher Leistung? Es ist kurz gesagt das Erlernen, Praktizieren und Anwenden geistiger und psychologischer Fähigkeiten durch

  • eine kurz-, mittel- und langfristige Zielsetzung
  • die Änderung negativer Gedankengänge und Vorstellungen in positive Denk- und Glaubenswelten
  • die Implementierung positiver Selbstbestätigung über die eigene Leistung und deren Unterstützung
  • eine progressive Entspannung
  • das Entwickeln und Visualisieren geistiger Bilder der Disziplin
  • das Erlernen von gesteuerter Konzentration und Fokussierung
  • die geistige Bewältigung von Schmerz, Verletzung, Niederlage und Misserfolgen

Es berührt dabei das Coaching, dass jedoch im Unterschied zum Mentaltraining nicht vom Sportler selbst durchgeführt werden kann. Coaching bedeutet die Begleitung durch einen psychologisch versierten Begleiter, einem Berater, der den Sportler analysiert und seine Potentiale offenlegt. Der natürlich das Mentaltraining mit dem Sportler üben und anleiten kann. Ziel ist es jedoch, dass am Ende der Sportler selber und eigenverantwortlich sein Mentaltraining durchführen kann und kritische Situationen selbst bewältigt.

Aber man sollte nie außer Acht lassen, dass mentales Training ist das, was es ist: ein Training. Man muss es mindestens jeden zweiten Tag üben, besser jeden Tag. Es erfordert Disziplin, wenn es wirken soll.

Wichtig bei einem Training und ganz besonders beim Mentaltraining ist auch immer die Praktikabilität. Klischees und Gemeinplätze á la »Wenn man es nur will, kann man alles schaffen!«, die immergleichen Motivationsbildchen aus Insta und Pinterest, rührende Filme und Wandtattoos helfen nicht, weil sie nicht nachhaltig in die Seele, in den Geist und in das Verhalten eindringen. Wenn es denn so einfach wäre… Mentaltraining erfordert Basiswissen über Psychologie, eine klare Struktur und vor allem Konsequenz und tägliche Beschäftigung.

Um Mentaltraining richtig ansetzen und wirken lassen zu können, ist es notwendig, dass sich Sportler vorab über bestimmte Themen im Klaren werden. Und das sind vor allem das Thema Selbstverantwortung und ihre Glaubenssätze. Erst nach der Klärung dieser Punkte ist Mentaltraining sinnvoll.

Selbstverantwortung
Sie kennen das sicher: die Kampfrichter sind schuld, dass man verloren hat. Der Trainer ist schuld, weil man das "Falsche" trainiert hat. Der Gegner ist schuld, weil er einen behindert und gestört hat. Die Zuschauer sind schuld, weil sie zu laut waren und überhaupt ist die Halle zu kalt, der Boden zu hart und die Luft zu stickig und schuld daran, dass man verloren hat. Aber man selber nicht.

Ich darf hier mal ganz klar sagen: nein. Falsch.

Jeder Sportler trägt für die sportliche Leistung und das, was ihn daran hindert, besser zu werden und nützliche Erfahrung zu sammeln, komplett selber die Verantwortung. Kein anderer. Nicht der Zuschauer, nicht der Gegner, nicht der Kampfrichter und nicht der Trainer. Sondern der Sportler alleine.

Die Zuschauer mögen laut sein, die Kampfrichter unfair oder der Boden zu hart. Das kann man vielleicht nicht beeinflussen. Aber man kann beeinflussen, wie man als Sportler darauf reagiert. Er hat die Verantwortung für seine Gemütsverfassung, er hat die Wahl, ob er sich stören und seine Leistungsfähigkeit davon beeinflussen lassen will; oder lernt, sich zu fokussieren und das, was in ihm steckt unbeeinflusst von äußeren Gegebenheiten abzurufen.

Diese Wahl trifft der Sportler, mit seinem Verstand, gefärbt und diktiert von seinem Selbstkonzept und persönlicher Bekräftigung, gestützt von Vertrauen in sich selbst. Er muss ehrlich mit sich selber sein. Das muss ihm klar sein!

Glaubenssysteme
Wir sind, was wir denken und zu glauben zu sein. Im Laufe der Jahre, von Kleinkindesalter an formen sich unsere Glaubenssätze, die uns immer beeinflussen und lenken werden. Glaubenssätze können die Leistung als Sportler und unser Leben ganz allgemein einschränken und ein sinnvolles Mentaltraining behindern. Hier seien als Beispiel genannt:

  • Nur wenn ich Leistung gebe, werde ich gemocht
  • Ich muss am Wettkampf teilnehmen, um meinen Eltern zu gefallen
  • Ich war schon immer zu langsam/fett/träge/dumm
  • Es ist nicht ok, Spaß zu haben
  • Es ist unweiblich, eine hervorragende Sportlerin zu sein
  • Echte Männer zeigen keinen Schmerz

Negative Glaubenssätze müssen erkannt, analysiert und klar formuliert werden, dann können sie behandelt oder transformiert werden.

Nach der Klärung der Eigenverantwortlichkeit und der eventuell störenden Glaubenssätze kann mit einem Mentaltraining begonnen werden.

Inhalte des Mentaltrainings

Mentaltraining beinhaltet mehrere Ebenen der Bearbeitung geistiger und seelischer Aspekte. Es werden folgende Bereiche im Mentaltraining bearbeitet:

  • Klare Zielsetzung
  • Positive Selbstbestätigungen / Affirmationen
  • Visualisierungstechnik
  • Eigenanalyse hinsichtlich Umwelteinflüsse (Familie, Beruf, Schule etc.)
  • Umgang mit Problemen und Blockaden in Training und Wettkampf
  • Psychologische Kernfragen in den Geschlechterrollen
  • Verletzungsbewältigung und Techniken der Schmerzkontrolle
  • Entspannungs- und Regenerationstechnik

Dabei kommen verschiedenste Techniken zum Einsatz, ergänzt durch Logbuchverwendung, Trainingspläne, Videotrainings und Coachingmethoden.

Dies scheint nur auf den ersten Moment komplex und viel zu viel zu sein, ist jedoch, wenn man sich die einzelnen Bereiche genauer ansieht, einfach durchzuführen. Denn nicht alle Bereiche und Techniken sind auch bei jedem Sportler sinnvoll. Manche kommen mit Niederlagen sehr gut zurecht, andere brauchen keine Entspannungstechnik, die nächsten kommen mit ihren Problemen und Blockaden ganz gut zurecht oder haben keine, manche Techniken lassen sich in eine Trainingsgruppe zeitsparend ins körperliche Training integrieren. Es ist bei jedem Sportler genau zu analysieren, was er gerade braucht und was vielleicht weggelassen werden oder zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden kann.

Mentaltraining ist ein Geschenk 

Das mentale Training soll dem Sportler helfen, Freude am Training und am Wettkampf zu haben, Leistung immer dann maximal abrufen zu können, wenn er sie braucht – und Leichtigkeit in der Wettkampfkarriere zu erfahren. Es soll dem Sportler Wissen und Weisheit über ihn selbst schenken, es soll ihm Klarheit und Zielbewusstsein schenken. Es soll ihm Fokussierung und Konzentration auf das Wesentliche beibringen – aber auch Loslassen, Geduld und Gelassenheit zu erlernen. In Eigenverantwortung und Freude an seinem Sport. Dass dies dann auch in sein Leben überfließen darf, ist ein großes Geschenk!

Karl Michael Schölz

https://schoelz.com

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